Der deutsche Wohnungsmarkt steht seit vergangenem Jahr unter enormem Druck. Es braucht dringend neuen Wohnraum, doch rasant gestiegene Bau- und Finanzierungskosten machen das Bauen so teuer wie nie. Die Politik setzt mit immer strengeren Standards und gestrichenen Bauförderungen die falschen Signale, sagt IW-Immobilienökonom Pekka Sagner.
Kernaussagen in Kürze:
- Zins- und Baupreisschock versetzten private und institutionelle Investoren am Immobilienmarkt in Schockstarre, resümiert IW-Immobilienexperte Pekka Sagner.
- Das Transaktionsvolumen sei seit der zweiten Jahreshälfte 2022 massiv eingebrochen, die ausgegebenen Immobiliendarlehen an private Haushalte hätten sich halbiert, so Sagner. Für viele private Haushalte sei die Finanzierung einer Immobilie unter den aktuellen Bedingungen nicht zu stemmen.
- Deshalb plädiert Sagner für eine antizyklische Wohnungsbau- und Wohneigentumsförderung. So könnte der Staat beispielsweise die Grunderwerbsteuer verringern.
Zur detaillierten Fassung
Die Zinswende für Baufinanzierungen im Jahr 2022 hatten Experten erwartet, die Dynamik hat die Marktteilnehmer jedoch überrascht. Zu Beginn des Jahres 2022 gingen die im Zuge des IW-ZIA-Immobilienstimmungsindex befragten Immobilienunternehmer davon aus, dass der Zins innerhalb von zwölf Monaten von 1 Prozent auf 1,5 Prozent steigen würde. Doch das Plus fiel deutlich höher aus. Der Zins liegt aktuell bei rund 4 Prozent für eine zehnjährige Zinsbindung.
Für viele private Haushalte ist die Finanzierung einer Immobilie unter den aktuellen Bedingungen nicht zu stemmen. Der Staat könnte mit günstigen Nachrangdarlehen die Zinslast der Haushalte reduzieren. Eine weitere Option wäre, die Grunderwerbsteuer zu verringern.
Dieser Zinsschock wurde im Wesentlichen durch den Krieg in der Ukraine verursacht, welcher hohe Inflationsraten aufgrund kurzfristig massiv gestiegener Energie- und Rohstoffkosten mit sich brachte. Die Europäische Zentralbank reagierte und erhöhte die Leitzinsen deutlich.
Das Grundproblem für den Bausektor löst das aber nicht: Wichtige Materialien wie Stahl oder Bitumenstoffe haben sich massiv verteuert; auch Dämmstoffe und Flachglas für den Fensterbau, die für die ambitionierten Gebäudesanierungsziele eine wichtige Rolle spielen, sind nun deutlich teurer.
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Zins- und Baupreisschock versetzten private und institutionelle Investoren am Immobilienmarkt in Schockstarre. Das Transaktionsvolumen ist seit der zweiten Jahreshälfte 2022 massiv eingebrochen, die ausgegebenen Immobiliendarlehen an private Haushalte haben sich halbiert. Für viele private Haushalte ist die Finanzierung einer Immobilie unter den aktuellen Bedingungen nicht zu stemmen, für Investoren lohnen sich Bauprojekte lediglich noch in Verbindung mit extrem hohen Mieten. Entsprechend geht es bei der Bautätigkeit und der Eigentumsbildung aktuell nur schleppend voran.
Dabei sind die Bedarfe hoch. In den 2010er Jahren wurden in Deutschland regelmäßig weniger Wohnungen gebaut als nötig. Deshalb besteht enormer Nachholbedarf. Hinzu kommt, dass 2022 mit per saldo 1,45 Millionen Menschen das Jahr mit der höchsten Zuwanderung nach Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg war.
Die Regierung hat sich mittlerweile vom ohnehin wenig realistischen Neubauziel von jährlich 400.000 Wohnungen verabschiedet, doch auch 300.000 Einheiten sind wohl kaum zu schaffen: Im vergangenen Jahrzehnt ist diese Zielmarke bei wesentlich besseren Marktkonditionen nur einmal erreicht worden. Die Politik tritt der neuen Marktrealität bisher aber allenfalls prozyklisch entgegen. So werden Neubaustandards verschärft, Sanierungsgebote ausgesprochen und Bauförderungen gestrichen. Doch in der aktuellen Marktphase braucht es eine antizyklische Wohnungsbau- und Wohneigentumsförderung. So könnte der Staat mit günstigen Nachrangdarlehen die Zinslast der Haushalte reduzieren. Eine weitere Option wäre, die Grunderwerbsteuer zu verringern. Das würde den Eigenkapitalbedarf senken und Geld für eventuell fällige Sanierungen frei machen.