Die deutsche Industrie will die Wirtschaft wieder ankurbeln. Dazu brauche es mehr Investitionen – und den „Mut der Bundesregierung zu unbequemen Entscheidungen“ beim Haushalt. Kanzler Scholz zeigte sich offen, „noch eine Schippe draufzulegen“.
Der Spitzenverband der Industrie hat mehr öffentliche Investitionen gefordert – dabei solle die Schuldenbremse aber eingehalten werden: „Wir fordern nicht neue Mehrausgaben des Staates“, sagte Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm beim Tag der Industrie. Stattdessen brauche es strukturelle Reformen, eine digitale Verwaltung und „den Mut zu unbequemen und schmerzhaften Entscheidungen“ bei der Priorisierung der Haushaltsmittel.
Der BDI hatte vor knapp zwei Wochen Berechnungen vorgelegt, wonach in den derzeitigen Haushaltsplanungen öffentliche Investitionen in Höhe von 400 Milliarden Euro insbesondere für Verkehrs- und Bildungsinfrastruktur über die kommenden zehn Jahre fehlen. Um diese Lücke zu schließen, seien auch schuldenfinanzierte Sondervermögen denkbar, erklärte der Verband. Russwurm bekräftigte dies und sprach von „präzise zweckgebundenen und zeitlich klar definierten Kreditpaketen“.
Scholz: Könnten „Schippe drauflegen“
Der BDI erwartet für das laufende Jahr nur ein Wachstum von 0,3 Prozent. Um das Wachstum anzukurbeln plant die Ampelkoalition ein „Dynamisierungspaket“. Das müsse seinem Namen auch gerecht werden, so Russwurm. Damit mehr Unternehmen investierten, müssten Abschreibungen erleichtert werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, er könne sich vorstellen, „dass wir in Sachen Abschreibung und Forschungsförderung noch eine Schippe drauflegen auf das, was uns mit dem Wachstumschancengesetz gelungen ist“. Dafür sei aber auch die Zustimmung der Länder notwendig. Das Wachstumschancengesetz der Bundesregierung mit Entlastungen für Firmen war nach einem Vermittlungsverfahren von Bundesrat und Bundestag vom Volumen her deutlich geringer ausgefallen als geplant.
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Weiterarbeiten soll attraktiver werden
Der Kanzler sagte weiter, das Arbeitsangebot solle ausgeweitet werden, indem freiwilliges, längeres Weiterarbeiten deutlich attraktiver gemacht werde. Zudem sollten die Erwerbstätigkeit von Eltern erleichtert und Arbeitsanreize erhöht werden, auch steuerlich.
Eine der am häufigsten von der Wirtschaft genannten Nachteile im internationalen Vergleich sind hohe Energiepreise. Scholz sagte mit Blick auf den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft, ihm sei bewusst, dass die Transformation wegen eines unterschiedlichen Niveaus der Energiepreise weltweit eine Herausforderung für den Standort Deutschland darstelle.
Er verwies auf Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung wie die Senkung der Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz für produzierende Unternehmen. Die Bundesregierung spreche derzeit intensiv darüber, wie Entlastungen verstetigt werden könnten, machte der Kanzler deutlich. Unternehmen sollten Klarheit bekommen.
Habeck: Keine milliardenschweren Sondervermögen
Eines wird aber nicht kommen, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte: Milliardenschwere Sondervermögen zum Beispiel für die Sanierung der teils maroden Infrastruktur. Solche kreditfinanzierten Sondervermögen außerhalb der Schuldenbremse und unter bestimmten Voraussetzungen hatte der BDI vorgeschlagen.
Die Bundesregierung will ihr „Dynamisierungspaket“ zusammen mit dem Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 auf den Weg bringen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) spricht von einem Paket für eine Wirtschaftswende. Bislang ist in den Gesprächen von Scholz, Lindner und Habeck aber keine Einigung in Sicht. Nach bisheriger Planung soll das Kabinett den Etatentwurf am 3. Juli beschließen. In der Koalition wird aber nicht ausgeschlossen, dass sich der Kabinettsbeschluss verzögern könnte.