Das Bündnis Sahra Wagenknecht sucht einen anderen Umgang mit der extrem rechten AfD in Parlamenten. Ein entsprechender Vorstoß der BSW-Abgeordneten des Europaparlaments trifft in der Bundespartei auf Unterstützung. Das könnte nach den Septemberwahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg auch Folgen in den Landesparlamenten haben.
Hintergrund: Im EU-Parlament hat sich das BSW gegen den »Cordon sanitaire« ausgesprochen. Dieser beschreibt eine Abmachung der konservativen, sozialdemokratischen, grünen, liberalen und linken Fraktionen, dass keine extrem rechten Politiker in herausgehobene Positionen im Parlament gewählt werden.
Für Posten wie Ausschussvorsitze und Parlamentsvizepräsidenten wurde etwa die Fraktion »Europa der Souveränen Nationen« ausgeschlossen, der die AfD angehört. Ebenso wurden die »Patrioten für Europa« bei der Postenvergabe nicht berücksichtigt. Dieser Fraktion gehören etwa der französische Rassemblement National oder die italienische Lega-Partei an.
»Das Bauen von Mauern wird dabei nicht helfen«
Der BSW-EU-Abgeordnete Michael von der Schulenburg kritisierte dieses Vorgehen und sprach von einem »Missbrauch der Parlamentsmehrheit«, der parlamentarische Grundsätze verletze. »Die BSW-Delegation hat grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten mit den von diesen Brandmauern betroffenen Parteien und deren Parlamentsfraktionen«, so von der Schulenburg. Man müsse anerkennen, »dass sie gewählt wurden und damit unterschiedliche Teile der europäischen Bevölkerung in diesem Parlament vertreten«.
Aufgabe eines demokratischen Parlaments müsse es sein, sich mit politischen Konkurrenten argumentativ auseinanderzusetzen und die Wählerschaft mit den besseren Argumenten zu überzeugen. »Das Bauen von Mauern wird dabei nicht helfen und schadet nur dem Ansehen des Europäischen Parlaments.«
BSW-Generalsekretär Christian Leye bestätigte dem SPIEGEL diese Linie für die Bundes- und Landesebene in Deutschland: »Koalitionen oder eine Zusammenarbeit mit der AfD wird es nicht geben«, man werde »allerdings nicht mehr dabei mitmachen, aus Prinzip gegen jeden AfD-Antrag zu stimmen, selbst, wenn er inhaltlich richtig ist«.
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Nicht zuletzt die Europawahlen hätten gezeigt, dass diese Strategie im Umgang mit der AfD »krachend gescheitert« sei. »Genauso haben die anderen Parteien die AfD in der Vergangenheit immer stärker gemacht«, so Leye.
Vor allem mit Blick auf die Landtagswahlen im Osten könnte diese Strategie folgenschwer sein.
Etwa dann, wenn AfD und BSW im Parlament gemeinsam eine Mehrheit haben sollten. Das Szenario wäre etwa in Thüringen und Sachsen vorstellbar, wenn SPD, Grüne und FDP an der Fünfprozenthürde scheitern sollten.
Könnte es womöglich gar zur Wahl einer BSW-Ministerpräsidentin mithilfe der AfD kommen? Vergleichbar mit der Situation nach der Thüringer Landtagswahl 2020, als der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen der AfD kurzzeitig ins Amt des Regierungschefs gewählt wurde?
Eine BSW-Parteisprecherin sagt dem SPIEGEL dazu: »Es darf nicht Kriterium sein, ob die AfD jemanden wählt oder nicht. Wir treffen Kandidaturen nach dem Wahlergebnis und Kriterien, die wir definieren«. Und weiter: Was die AfD mache, sei die Sache der AfD.
Was heißt das konkret? Dass es keine Rolle spielt, wer für einen BSW-Kandidaten stimmt?
Die Sprecherin: »Wir werden niemanden von der AfD wählen, und wir streben keine Minderheitsregierung an«.
Während der erste Teil dieses Satzes eine klare Äußerung beinhaltet, lässt der zweite womöglich politischen Spielraum. Oder ist all das nur ein Mittel, um die CDU unter Druck zu setzen und als möglichen Koalitionspartner nach den Wahlen zu gewinnen? Diese Fragen bleiben bislang offen.