Die Bundesregierung will jedes Jahr 100.000 neue Sozialwohnungen bauen, obwohl sie nicht weiß, wie hoch der tatsächliche Bedarf für diese Wohnform ist. Da die Politik das selbst gesteckte Ziel deutlich verfehlt, sollte sie zumindest die voranschreitende Dezimierung der gebundenen Mietwohnungen stoppen.
Kernaussagen in Kürze:
- Wer aus Sicht der Behörden bedürftig ist und einen Wohnberechtigungsschein vorweisen kann, darf in Deutschland eine Sozialwohnung mieten.
- Allerdings ist der Bestand an Sozialwohnungen in Deutschland von annähernd 2,9 Millionen im Jahr 1990 auf knapp 1,1 Millionen im Jahr 2022 gesunken.
- Statt unrealistische Ziele zu formulieren, sollte sich die Politik auf den Erhalt des aktuellen Bestands an geförderten Wohnungen konzentrieren. Allein der Ersatzbedarf würde weit mehr Bautätigkeit erfordern, als zuletzt an neuen Sozialwohnungen entstanden ist
Zur detaillierten Fassung
Wer nur ein geringes Einkommen hat, einen ausländischen Nachnamen trägt oder seine Kinder allein erzieht, hat häufig Schwierigkeiten, eine bezahlbare Mietwohnung zu finden. Für diejenigen, die auf Unterstützung in puncto Wohnen angewiesen sind, gibt es deshalb die soziale Wohnraumförderung in Deutschland. Seit 2006 liegt der soziale Wohnungsbau in der Hand der Bundesländer, allerdings bezuschusst der Bund den Bau von Sozialwohnungen mit hohen Summen. Seit 2006 beliefen sich die jährlichen Kompensationszahlungen des Bundes auf rund 518 Millionen Euro, für die Jahre 2022 bis 2026 wurden die Finanzhilfen deutlich erhöht: auf jährlich 2,9 Milliarden Euro.
Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, jedes Jahr 100.000 neue Sozialwohnungen in Deutschland zu bauen. Im Jahr 2022 entstand schätzungsweise bundesweit nur ein Viertel davon.
Obwohl der soziale Wohnungsbau eine staatliche Angelegenheit ist, gibt es keine amtliche Statistik, die den exakten Bestand an Sozialwohnungen oder gar den konkreten Bedarf für dieses Wohnungskonzept quantifiziert. Grundsätzlich können nur solche Personen Sozialwohnungen mieten, die aus Sicht der Behörden bedürftig sind und einen Wohnberechtigungsschein vorweisen können. Vermieter müssen diesen Wohnraum, für dessen Errichtung sie staatliche Zuschüsse erhalten, für einen festgelegten Zeitraum – in der Regel 30 Jahre lang – besonders günstig vermieten. Erst nach Ablauf dieser Frist können diese Wohnungen dann teurer vermietet werden – und zählen folglich nicht mehr zum Sozialwohnungsbestand.
Das IW hat diesen Bestand für die vergangenen 30 Jahre in allen Bundesländern abgefragt (Grafik):
Nach den vom IW ausgewerteten Zahlen der Länder ist der Bestand an Sozialwohnungen in Deutschland von annähernd 2,9 Millionen im Jahr 1990 auf knapp 1,1 Millionen im Jahr 2022 gesunken.
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Zwischen 1990 und 2002 nahm der Bestand noch relativ moderat ab, nämlich um rund 33.000 Sozialwohnungen pro Jahr. Anschließend ging das Angebot an gebundenen Mietwohnungen bis zum Jahr 2022 mit einem Minus von jährlich 74.000 deutlich schneller zurück. Bis 2030 dürfte der Bestand weiter schrumpfen, dann allerdings nur noch um jährlich etwa 50.000 Wohnungen, von denen sich besonders viele in Nordrhein-Westfalen befinden.
Im Fokus: bedürftige Haushalte
Und wie sieht es mit dem Bedarf an günstigem Wohnraum aus? Während die Politik früher bei der Wohnraumförderung vorrangig auf die sogenannte Objektförderung, also den Bau von Sozialwohnungen gesetzt hat, fokussiert sie seit Ende der 1990er Jahre auf die Subjektförderung, sprich: die direkte Förderung von bedürftigen Haushalten. Es werden nun also in erster Linie diejenigen Personen unterstützt, die ein Problem haben, auf dem freien Wohnungsmarkt eine für sie bezahlbare Mietwohnung zu finden – sei es aufgrund eines niedrigen Einkommens und geringen Vermögens oder anderer Faktoren bis hin zu Diskriminierungstatbeständen.
Die Bundesregierung hat als politisches Ziel den Bau von 100.000 neuen Sozialwohnungen pro Jahr in Deutschland ausgerufen. Im Jahr 2022 entstand schätzungsweise bundesweit nur ein Viertel davon. Ob das ausreichend oder zu wenig ist, lässt sich nicht beurteilen, da die Wohnraumversorgung regional höchst unterschiedlich ausfällt. Auch kommt ein Teil der neuen Sozialwohnungen nur einer kleinen Zielgruppe zugute – so dürfen etwa in geförderten Wohnungen im Bereich des studentischen Wohnens nur immatrikulierte Studierende einziehen.
Bestandserhalt wäre ein gutes Ziel
Da sich der tatsächliche Bedarf an Sozialmietwohnungen also nicht exakt quantifizieren lässt, sollte die Politik keine unrealistischen Ziele formulieren. Glaubwürdiger wäre es vielmehr, wenn sich die Politik auf den Erhalt des aktuellen Bestands an geförderten Wohnungen konzentrieren würde. Allein der Ersatzbedarf würde weit mehr Bautätigkeit erfordern, als zuletzt an neuen Sozialwohnungen entstanden ist (Grafik):
Um den Bestand der Sozialmietwohnungen aus dem Jahr 2022 zu halten, hätten bundesweit allein in diesem Jahr knapp 48.000 neue geförderte Mieteinheiten entstehen müssen.
Bis 2030 wäre der Ersatzbedarf jedes Jahr ähnlich hoch, erst 2031 würde er langsam sinken. Im Jahr 2035 wäre dann nur noch der Bau von rund 25.000 neuen Wohnungen erforderlich, um den Bestand von knapp 1,1 Millionen Sozialmietwohnungen zu erhalten.