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Viele Branchen sind im Umbruch. Damit Arbeitnehmer im Betrieb bleiben, aber neue Aufgaben übernehmen können, will die Regierung Weiterbildung stärker fördern. Für wen ist das neue Qualifizierungsgeld gedacht? Wie hoch ist es?
Mit einem sogenannten Qualifizierungsgeld sollen ab dem 1. April Betriebe und Beschäftigte stärker bei der Weiterbildung unterstützt werden. Mehr als drei Milliarden Euro nimmt die Bundesregierung dafür in die Hand. Beschäftigten, die sonst ihren Job verlieren würden, soll durch Fortbildungen ermöglicht werden, sich weiterzubilden, damit sie im Unternehmen andere Aufgaben übernehmen, aber ihre Stelle behalten können.
Welche Unternehmen können die Förderung beantragen?
Arbeitgeber können die Förderung online beantragen, müssen dafür aber bestimmte Voraussetzungen erfüllen. So muss etwa bei einem wesentlichen Teil der Belegschaft ein Qualifizierungsbedarf vorliegen, wie die Arbeitsagentur erklärt. Konkret heißt das: Ohne die Förderung würden die Arbeitsplätze, bei denen es einen Qualifizierungsbedarf gibt, durch den Strukturwandel wegfallen. Bei Unternehmen mit 250 und mehr Beschäftigten muss das mindestens 20 Prozent, bei weniger Beschäftigten zehn Prozent der Arbeitnehmer betreffen.
Zudem muss die berufliche Weiterbildung länger als 120 Stunden – also drei Wochen – dauern. Allerdings müsse die Fortbildung laut der Arbeitsagentur nicht am Stück absolviert werden, sondern könne auch in Teilzeit oder berufsbegleitend stattfinden. Der Bildungsträger, der die Weiterbildung anbiete, müsse zudem für die Förderung zertifiziert sein.
Auch inhaltlich muss eine Fortbildung, die mit dem Qualifizierungsgeld gefördert wird, bestimmte Voraussetzungen erfüllen. So müssen etwa Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, die „über eine ausschließlich arbeitsplatzbezogene, kurzfristige Anpassungsfortbildung hinausgehen“. Eine Schulung für eine betriebsspezifische Software werde zum Beispiel nicht gefördert. In einem solchen Fall haben Arbeitnehmer laut Sozialgesetzbuch Anspruch auf eine Fortzahlung ihres Gehalts.
Wie viel Geld bekommen die Arbeitnehmer?
Arbeitnehmer, die für eine Weiterbildung das Qualifizierungsgeld in Anspruch nehmen und damit eine weitreichende neue Qualifizierung erwerben, bekommen von der Bundesagentur für Arbeit 60 Prozent ihres Nettogehalts ausgezahlt. Für Angestellte mit Kindern erhöht sich der Satz auf 67 Prozent – es handelt sich um dieselbe Berechnung wie beim Kurzarbeitergeld.
Das Qualifizierungsgeld greift als Lohnersatz. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer für die Zeit, in der sie an der Weiterbildung teilnehmen, Geld von der Arbeitsagentur anstelle ihres Gehalts bekommen. „Arbeitgeber können den Betrag natürlich aufstocken, wenn sie mögen“, erklärt Irmgard Pirkl von der Bundesarbeitsagentur.
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Denn die Arbeitnehmer bleiben im Unternehmen und werden mit den Weiterbildungen auf neue Aufgaben in ihrem Unternehmen vorbereitet. So bekommen sie eine neue berufliche Perspektive und werden vor drohender Arbeitslosigkeit geschützt. „Das Unternehmen zahlt die Fortbildung und investiert damit in die Arbeitskräfte“, sagt Pirkl. Allerdings müssen die Beschäftigten der Weiterbildung auch zustimmen.
Warum gibt es die Förderung?
Die deutsche Wirtschaft erlebe einen Strukturwandel, heißt es vom Bundesarbeitsministerium (BMAS). Dadurch ändern sich in einigen Branchen die Aufgabengebiete – manche Aufgaben fallen weg, an anderen Stellen entstehen neue.
„Beispielsweise, wenn ein Unternehmen von einer handwerklichen Produktion auf eine computergestützte Produktion wechselt“, erklärt Irmgard Pirkl. „Dann brauchen die Angestellten Weiterbildungen, sonst können sie nicht weiter bei dem Unternehmen arbeiten.“ Das Qualifizierungsgeld soll diesen Schritt vereinfachen. Es ist Teil einer Anpassung des Aus- und Weiterbildungsgesetzes, die ab dem 1. April in Kraft tritt.
Welches Fördervolumen steht für das Qualifizierungsgeld bereit?
Laut Ministeriumsangaben wird die Unterstützung aus dem Haushalt der Bundesagentur für Arbeit finanziert und beträgt im Jahr 2024 etwa 3,3 Milliarden Euro. Die örtlichen Agenturen für Arbeit entscheiden über die konkrete Mittelverwendung. Der Entwurf des Aus- und Weiterbildungsgesetzes sei von jährlichen Mehrkosten durch das Qualifizierungsgeld in Höhe von bis zu 360 Millionen Euro ausgegangen.
An wen richtet sich das Qualifizierungsgeld?
Da „fast alle Branchen und Betriebe“ von dem Strukturwandel betroffen seien, gibt es laut der Bundesagentur für Arbeit „keine Beschränkung des Qualifizierungsgeldes auf ein Anwendungsfeld.“ Neben der Automobil- und ihrer Zulieferindustrie seien beispielsweise auch energieintensive Bereiche wie die Herstellung von Glas und Keramik, die Verarbeitung von Steinen und Erden, die Herstellung von chemischen Erzeugnissen oder die Metallerzeugung und -bearbeitung zu nennen.
„Aber nicht nur die Industrie ist betroffen“, betont die Arbeitsagentur. Auch in anderen Branchen wie beispielsweise im Verlagswesen, im Bankenwesen, bei Versicherungen und im Einzelhandel gebe es aufgrund der Digitalisierung einen erheblichen Strukturwandel.
Gibt es auch Kritik?
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sieht die Einführung des Qualifizierungsgeldes kritisch: „Es verkompliziert ein ohnehin bereits komplexes System weiter und schließt Unternehmen aus, die über keine einschlägige Betriebsvereinbarung oder einschlägigen Tarifvertrag verfügen.“
Laut BDA erreicht das Qualifizierungsgeld vor allem größere Unternehmen. Demnach passen die Förderkriterien nicht gut auf kleine und mittlere Unternehmen. Die Nutzung wird dem Verband zufolge auch dadurch eingeschränkt, dass der Verbleib im Betrieb garantiert sein muss.