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Isst man sowas heute noch?

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Isst man sowas heute noch?

Rinder zu essen, Schweine, Hühner oder Puten: Das ist für Nicht-Vegetarier normal. Aber Pferde? Einst recht gängig, hat Pferdefleisch heute Seltenheitswert.

Kaspar Wörle ist der Letzte seiner Art: der letzte Pferdemetzger von München. In seinem Ladengeschäft am Viktualienmarkt verkauft er Pferde-Spezialitäten aus eigener Herstellung und Schlachtung. Ob Schinken, Lende oder vor allem Wurst: Bei Wörle gibt es alles, was es auch bei einem herkömmlichen Metzger gibt – nur eben vom Pferd. Der Renner sind warme Pferdewürste in der Semmel. Rein optisch erkennt man dabei keinen Unterschied zu klassischen Würsten aus Rinder- oder Schweinefleisch. 

 

Kundennachfrage nach Pferdefleisch weiter hoch

Kunden der Metzgerei betonen, sie hätten ein gutes Gewissen: Denn bei einem Pferd könne man davon ausgehen, dass es vor dem Schlachten ein besseres Leben gehabt habe als andere Nutztiere. Die Nachfrage nach Pferdefleisch ist laut Metzger Wörle hoch: „Wir haben unter der Kundschaft alles: Prominente, Normale, Schweizer, Österreicher, wir haben eigentlich alle Nationen.“

Und trotzdem ist außerhalb seines Ladens das Angebot an Pferdefleisch im Lauf der Jahre immer kleiner geworden. Zur Zeit seines Vorgängers habe es in München noch 35 Pferdemetzger gegeben, erzählt Wörle. Doch dann sind es immer weniger geworden, bis nur noch er übrig war.

Immer weniger Pferde werden geschlachtet

Das ist nicht nur in München so, sondern im ganzen Land. 1993 wurden deutschlandweit noch fast 16.000 Pferde geschlachtet, im Jahr 2023 waren es nur noch etwa 3.000. Zum Vergleich: Vergangenes Jahr verarbeiteten die deutschen Schlachthöfe mehr als 42 Millionen Schweine und fast drei Millionen Rinder. Pferdefleisch ist zum absoluten Nischenprodukt geworden, was offenbar daran liegt, dass immer weniger Pferde zum Schlachten verfügbar sind.

Wörle hat den Anspruch, ein regionales Produkt anzubieten. Er holt die Schlachtpferde aus maximal 100 Kilometern Entfernung rund um München. In der Regel handelt es sich dabei um Sportpferde, denn als Zugtiere werden Pferde ja heute kaum noch eingesetzt. Und viele Pferdebesitzer wollen ihr Reittier eben nicht dem Metzger geben, erzählt Wörle: „Bei denen ist es so, ein Pferd ist zum Reiten und nicht zum Schlachten. Ich kann das verstehen, weil das ist ja wie ein Partner für sie und da ist es halt schwierig, sich zu trennen.“

Tierarzt sieht praktisch keine Schlachtpferde mehr

Das kann Tierarzt Peter Beer nur bestätigen. Er betreibt am anderen Ende Bayerns, im oberfränkischen Rehau im Landkreis Hof, eine auf Pferde spezialisierte Praxis. Seine Erfahrung lautet: Von den Tieren, die er bei seiner Arbeit zu Gesicht bekommt, wird eigentlich keines mehr geschlachtet.

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Das liegt nach Beers Einschätzung daran, dass sich die Eigentümerstruktur geändert hat: Früher besaßen Landwirte oder Reitschulen viele Tiere, heute seien die Pferdebesitzerinnen und -besitzer meist Privatpersonen, die sehr an ihren Tieren hängen. Auch der Tierarzt berichtet davon, dass es in Oberfranken früher eine ganze Reihe Pferdemetzger gegeben hat; jetzt kenne er in der Umgebung keinen mehr.

Schlachten oder nicht – das steht im Pferdepass

Zwar gelten Pferde vor dem Gesetz zunächst einmal als schlachtfähig; das kann man jedoch mit einem Eintrag in den so genannten „Equidenpass“, der für jedes Tier geführt werden muss, ändern. Von dieser Möglichkeit machen nach der Erfahrung Beers auch die meisten Pferdehalterinnen und -halter Gebrauch. Ein als Schlachtpferd geführtes Tier darf bestimmte Medikamente nicht mehr bekommen, vor allem solche, die aus der Humanmedizin in die Tierbehandlung übernommen wurden. So wird verhindert, dass Rückstände davon ins Fleisch gelangen.

Ein weiterer Unterschied: Wenn ein Pferd nicht mehr geritten werden kann, darf es jederzeit geschlachtet werden, wenn es den passenden Eintrag im Equidenpass hat. Die Tötung ist, wie bei anderen Schlachttieren, nach dem Gesetz gerechtfertigt, um das Fleisch anschließend als Lebensmittel zu verwenden. Handelt es sich um ein als nicht schlachtfähig kategorisiertes Pferd, sieht es anders aus. Der Halter muss das Tier dann auch im Alter weiter pflegen und füttern. Getötet werden darf es nur, um übermäßiges Leiden zu vermeiden.

Kosten spielen für Pferdebesitzerinnen kaum eine Rolle

Daraus möglicherweise folgende Kostenerwägungen spielen im Alltag nach der Erfahrung von Tierarzt Beer aber praktisch keine Rolle: „Die meisten Tierhalterinnen würden ihr Pferd nie schlachten und behalten es, solange es geht. Da gibt es eine extreme emotionale Bindung, die mit dem Marktwert eines Pferdes nichts zu tun hat.“

Der letzte Münchner Pferdemetzger Wörle zahlt nach eigenen Angaben für ein Schlachtpferd 800 bis 1.200 Euro. Und das Fleisch wird sinnvoll verwertet, betont er. Trotzdem werden heute die allermeisten Pferde für viel Geld eingeschläfert und in einer Tierkörperbeseitigungsanlage entsorgt.  

Wie lange sie ihre Metzgerei noch betreiben, wissen Wörle und seine Frau Ursula nicht. Der Metzger ist 62, und es gibt keinen Nachfolger. „Metzger gibt es wenige, und es werden ja auch immer weniger“, sinniert er: „Wenn keiner mehr kommt, kann man es nicht ändern. Dann gibt es in München am Viktualienmarkt keinen Pferdemetzger mehr.“ Noch denkt er nicht an Ruhestand. Solange er kann, will Wörle weitermachen. Doch in ein paar Jahren wird der letzte Pferdemetzger von München womöglich Geschichte sein.

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