In der Coronakrise ließ Gesundheitsminister Spahn Milliarden von Masken kaufen. Ein Großteil davon muss teuer vernichtet werden. Der Nutzen sei insgesamt gering gewesen, heißt es nun in einem Bericht. Der Bundesrechnungshof übt scharfe Kritik an der Maskenbeschaffung in der Coronakrise unter Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und wirft dessen Haus mangelnde Aufarbeitung vor. »Die massive Überbeschaffung von Schutzmasken zu Beginn der Coronapandemie durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) führte zu anhaltend hohen Lagerbeständen und erheblichen Folgekosten«, heißt es in einem Bericht des Bundesrechnungshofs an den Haushaltsausschuss des Bundestags, der dem SPIEGEL vorliegt. »Der Nutzen zur Pandemiebekämpfung war gemessen daran gering«, heißt es weiter. Der Bericht macht deutlich, wie gewaltig die Fehlplanung in der Krise war: Von 5,7 Milliarden beschafften Schutzmasken wurden demnach nur 2 Milliarden verteilt, 1,7 Milliarden davon in Deutschland. Nicht festzustellen sei, wie viele Masken tatsächlich genutzt wurden. Sicher ist laut dem Bericht hingegen: 1,2 Milliarden Schutzmasken wurden inzwischen vernichtet, weitere 1,7 Milliarden dürften noch verbrannt werden. Hinzu kommen knapp 800 Millionen an noch verwendbaren Schutzmasken, für die es kein »Nutzungs- und Verteilungskonzept« gibt – und die folglich irgendwann ebenfalls entsorgt werden dürften. Allein die Verwaltung der zu viel beschafften Masken kostete bis Ende 2023 rund 460 Mio. Euro, im laufenden Jahr dürften laut Rechnungshof weitere 534 Millionen anfallen. Hinzu kommen unter anderem Ausgaben für Rechtskosten in Prozessen mit Lieferanten, die allein im vergangenen Jahr 113 Millionen Euro ausgemacht haben. Der Bundesrechnungshof erkennt zwar an, dass in den ersten Monaten der Pandemie »große Ungewissheit herrschte über die Schwere und den Verlauf der Pandemie« und »unter diesen Bedingungen auch ungewöhnliche Beschaffungswege beschritten werden durften«. Das Gesundheitsministerium habe jedoch »Ausnahmetatbestände überdehnt«, heißt es in dem Abschlussbericht. Viele Entscheidungen seien dabei »gerade nicht in den schwierigen ersten Wochen der Pandemie« gefallen. Selbst nachdem das Ministerium intern am 5. Mai 2020 ein Ende aller Maskenbeschaffungen verfügt hatte, wurden dem Bericht zufolge noch Aufträge erteilt – zum Teil auf persönliche Anweisung von Minister Spahn. Entwürfe für Vergabevermerke seien im Ministerium »gar nicht oder ohne Datum unterschrieben« worden. Einer dieser Vermerke wurde dem Bericht zufolge rückdatiert, bevor er im Rahmen einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) einem Journalisten offengelegt und später dem Bundesrechnungshof übergeben wurde. Click here to preview your posts with PRO themes ›› Zur Abwehr weiterer IFG-Anfragen wurden Dokumente offenbar systematisch als »Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch« (VS-NfD) eingestuft. »Diese Einstufung sei als Begründung für die Ablehnung von IFG-Anträgen ohne weitere Ausführungen anwendbar«, zitieren die Rechnungsprüfer aus einem internen Schriftwechsel. Bis heute führe das Gesundheitsministerium zur Abwicklung der Maskenbeschaffung keine fortlaufenden Akten, kritisieren sie weiter. Chaotische Zustände herrschten offenbar auch bei der Verzollung importierter Masken. Das Gesundheitsministerium verfüge »nicht über die in seinem Namen und damit potenziell zulasten des Bundeshaushalts abgegebenen Zollanmeldungen«, kritisieren die Rechnungsprüfer. Das Ministerium könnte damit allein dem Zoll einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag schulden. Der überwiegende Teil der Maskenbeschaffung sei »im Ergebnis ohne Nutzen für die Pandemiebekämpfung und damit ohne gesundheitspolitischen Wert« gewesen, lautet das vernichtende Fazit des Berichts. Weniger als ein Drittel der Schutzmasken allgemein und sogar weniger als ein Viertel der besonders teuren partikelfiltrierenden Halbmasken seien verteilt worden. »Tatsächlich genutzt wurden noch weniger Masken.« Dem stünden »bis heute laufende, massive Folgekosten für die Verwaltung der Überbeschaffung gegenüber, insbesondere auch für die dauerhafte Einlagerung unbrauchbarer Ware.« Indirekt wirft der Bericht auch dem heutigen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mangelnde Aufklärung vor. »Das BMG sollte seine Beschaffungstätigkeit während der Pandemie und die Folgemaßnahmen kritisch aufarbeiten und für künftige Krisenlagen belastbare und rechtssichere Strategien entwickeln«, empfiehlt der Rechnungshof. Er legt zugleich nahe, dass das Ministerium in künftigen Krisen nicht mehr zuständig sein sollte: »Eine zentrale Beschaffung und Vorhaltung von Schutzausrüstung durch den Bund hat sich als ineffizient und unwirtschaftlich erwiesen«, heißt es. »Die Bundesebene ist nicht nur fachlich und logistisch am weitesten von den infrage kommenden Bedarfsträgern entfernt, sondern auch nach derzeitiger Kompetenzverteilung für eine Versorgung vor Ort nicht zuständig.« In der Opposition sieht man den Bericht als Beleg für eine ungute Kontinuität in der Bundesregierungen. »Weder CDU noch SPD haben bisher dazu beigetragen, die Coronakrise aufzuarbeiten«, sagt Linken-Haushaltspolitikerin Gesine Lötzsch. Spahn habe »das Problem mit viel Geld erschlagen« wollen. »Die Ampel ist nicht viel besser. Sie glaubt auch, dass mit viel Geld alle Krisen gelöst werden können«, sagt Lötsch. »Das ist ein teurer Fehler.«Mehr als eine Milliarde Masken bereits vernichtet
Systematisch als Verschlusssache eingestuft
Chaotische Zustände im Ministerium: Rechnungshof kritisiert Maskenbeschaffung von Jens Spahn massiv
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