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Liberaler Leitantragsentwurf für Parteitag: Mit diesen sieben Forderungen will die FDP in der Ampel punkten

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Die FDP pocht angesichts des geringen Wachstums auf eine Wirtschaftswende. Im Entwurf des Leitantrags für den Parteitag werden nun unbequeme Erwartungen an die Koalitionspartner formuliert. Der Überblick.

Liberaler Leitantragsentwurf für Parteitag: Mit diesen sieben Forderungen will die FDP in der Ampel punkten

Als Christian Lindner kürzlich in einem Interview nach dem Bruch der sozialliberalen Koalition 1982 gefragt wurde, sagte er einen interessanten Satz.

Die damaligen FDP-Spitzenpolitiker Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff hätten die Existenzkrise der Partei in Kauf nehmen müssen, »um das zu erreichen, was im Interesse des Landes war«. Das, fügte der FDP-Chef und Bundesfinanzminister hinzu, »hat mich immer beeindruckt«.

Was Lindner da in der »Zeit« von sich gab, klang wie ein Zwischen-den-Zeilen-Signal an SPD und Grüne, eine Erinnerung daran, welches Wagnis die FDP in ihrer Geschichte schon einmal eingegangen war, als es sich ums Prinzipielle drehte. Damals stand vor allem die Wirtschafts- und Steuerpolitik im Zentrum, das zuvor formulierte Lambsdorff-Papier wirkte im Nachhinein wie die Gründungsakte für den Ausstieg aus der Koalition, der die FDP an die Seite von CDU und CSU führte.

Ein vorzeitiges Ende der aktuellen Koalition, so scheint es, will Lindner nicht. »Heute bin ich aber sicher, dass die Bundesregierung gemeinsame Positionen findet«, fügte er im Interview vorsorglich hinzu.

Dennoch gilt jetzt schon als ausgemacht: In den kommenden Monaten werden auf die Ampel einmal mehr große Herausforderungen zukommen. Aus Sicht der FDP, des kleinsten und in den Umfragen derzeit schwächsten Koalitionspartners (rund fünf Prozent) wird sich entscheiden, ob die wirtschaftliche Schwächephase des Landes gemeistert wird. »Wenn wir das schaffen, haben wir dem Land einen Dienst erwiesen«, sagt ein führender Liberaler. Dann, so die Hoffnung, würde es auch mit der FDP wieder aufwärtsgehen.

Und falls nicht?

Wer in diesen Tagen mit FDP-Politikern in Berlin redet, spürt, dass vor allem eines aufgebaut wird: Druck. In Berlin-Kreuzberg, wo sich die Delegierten am 27. und 28. April schon fast traditionsgemäß treffen, soll ein möglichst klares Signal gesendet werden – die Liberalen als Antreiber auch für unbequeme Maßnahmen in der Koalition.

Eine Rolle, die die FDP ohnehin seit Beginn der Koalition spielt, zuweilen zum Ärger der beiden anderen Partner SPD und Grüne.

Das Selbstbild einer mitunter gegen den Strich bürstenden Kraft im Dreierbündnis durchzieht auch Teile des Entwurfs des Leitantrags des FDP-Bundesvorstandes, der dem SPIEGEL vorliegt. »Deutschland braucht die Wirtschaftswende«, lautet der zentrale Satz, der die Problemlage aus Sicht der Liberalen auf 14 Seiten auffächert und mit Vorschlägen versieht – unter anderem auf den Gebieten Wachstum, Steuern, Bürokratieabbau, Energie, Europapolitik, Digitales, Bildung, Fachkräftemangel und Verteidigung.

Wettbewerb

Das Land, so eine der zentralen Aussagen, sei »derzeit nicht wettbewerbsfähig«, die Wirtschaft stagniere wie in keinem anderen Industrieland. »Ausufernde Bürokratie, hohe Energiepreise, ein hohes Steuer- und Abgabenniveau sowie akuter Fachkräftemangel bremsen die deutsche Wirtschaft erheblich aus«, so die Analyse, die sich mit den jüngsten Prognosen der führenden Wirtschaftsinstitute deckt.

Sie hatten in ihrem soeben vorgestellten Frühjahrsgutachten ein eher düsteres Bild für die Bundesrepublik gemalt und ihre Prognose vom Herbst von 1,3 Prozent Wirtschaftswachstum für 2024 auf 0,1 zurückgeschraubt. Es gebe nicht nur konjunkturelle Gründe dafür, wie etwa den schwächelnden Export, sondern auch strukturelle, wie eine zu starke Bürokratie, fehlende oder nicht ausreichend ausgebildete Arbeitskräfte. Eine Betrachtung, die sich in ähnlicher Form auch in dem FDP-Papier an mehreren Stellen wiederfindet.

Ob eine Trendwende erreichbar ist, darüber gehen in der Koalition die Ansichten auseinander. Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen erklärte vor den Ostertagen, die Energiepreise und die Inflation hätten sich »beruhigt, intensiv arbeiten wir am Bürokratieabbau«.

Doch in der FDP gibt es Zweifel, ob die Grünen die richtigen Antworten finden werden. Mit ein Grund dürfte auch sein, dass Habeck als Fachminister für ein klassisches Terrain der Liberalen zuständig ist. Es geht also auch um liberale Selbstbehauptung. Im derzeitigen Leitantrag gibt es zumindest indirekt eine Spitze, die gegen Habeck gerichtet scheint: Man brauche »mehr gute Wirtschaftspolitik und weniger fade Sonntagsreden«, eine Wirtschaftswende hin zu mehr Wachstum, Fortschritt und Technologieoffenheit. »Wir brauchen ein Aufbruchspaket, was über alles hinausgeht, was bisher geplant ist«, darauf werde die FDP ihre »Kraft« und ihren »Fokus lenken«, heißt es ausdrücklich.

Doch was heißt das konkret?

Ein Streitpunkt mit SPD und Grünen dürfte die Frage sein, wie viel der Ausbau des Sozialetats kosten soll.

Sozialstaat

»Ein übergroßer Sozialhaushalt« belaste »die finanziellen Möglichkeiten von Staat und Gesellschaft«, heißt es im Antragspapier.

Die Sozialausgaben machen im Bundeshaushalt 2024 rund 46 Prozent der Gesamtausgaben aus und sind der mit Abstand größte Ausgabenblock. Die FDP fordert daher »ein dreijähriges Moratorium für den Sozialstaat«. In dieser Zeit solle es »keine neuen Sozialleistungen« geben, eine Formulierung, mit der sich die Liberalen gegen den Vorwurf wappnen wollen, eine Partei der sozialen Kälte zu sein. Um Kürzungen geht es also vordergründig nicht – sondern um ein Nein zu neuen Leistungen.

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Spannend dürfte in diesem Zusammenhang ein Projekt werden: Wird das Lieblingsvorhaben der Grünen-Familienministerin Lisa Paus, die Kindergrundsicherung, überhaupt noch Wirklichkeit? In der FDP gibt es, wegen einer von Paus favorisierten neuen Behörde, starke Zweifel daran, auch in Teilen der SPD. Paus hingegen zeigte sich jüngst gegenüber dem SPIEGEL zuversichtlich, dass das Projekt noch in dieser Legislatur kommt. Derzeit laufen im Bundestag, wo das Gesetz liegt, weiterhin Gespräche zwischen den Fachpolitikern der Ampel und dem Ministerium – eine schnelle Einigung ist nicht in Sicht.

Viertagewoche

Eines der großen medialen Trendthemen ist die Viertagewoche. Erst jüngst hatten die durch Streiks begleiteten Verhandlungen zwischen dem Bahn-Vorstand und der Lokführergewerkschaft GDL das Thema bundesweit in die Schlagzeilen gebracht.

Als Interessenvertreterin des Mittelstands positioniert sich die FDP erwartungsgemäß: Man sei gegen eine »generelle Arbeitszeitverkürzung, wie die Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich, eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro oder starre Wochenarbeitszeiten«. Diese würden den Wohlstand gefährden und Leistungsträger abstrafen, man sei daher »klar gegen solche realitätsfernen Forderungen«. Die Viertagewoche ist indes auch bei der SPD und Teilen der Grünen umstritten, Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte eine gesetzliche Festlegung im vergangenen Jahr abgelehnt.

Rente

Auf einem anderen Feld intonierte die Begleitmusik zum anstehenden Parteitag vor Ostern der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Johannes Vogel. In der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (FAZ) erklärte er, das derzeitige Rentenpaket der Koalition reiche »so noch nicht«, so forderte er den Einstieg in eine »echte Aktienrente«. Jüngst hatten Heil und Lindner für die Bundesregierung ein Konzept für die Aktienrente, das sogenannte Generationenkapital, vorgestellt – allerdings mit einer geringeren Anschubfinanzierung als ursprünglich angedacht.

Ähnlich wie Vogel in der »FAZ« lesen sich die Forderungen im Leitantrag. Man setze sich für einen flexiblen Renteneintritt, »die Abschaffung der Rente mit 63 für besonders lang Versicherte« ein. Auch die Altersteilzeit im Vorruhestand, das sogenannte Blockmodell, wolle die FDP »reduzieren«. Punkte, bei denen es in der Ampel mit der SPD durchaus noch Konflikte geben könnte.

Arbeitszeiterfassung

Ein Projekt, das nach wie vor der Umsetzung harrt, ist die Arbeitszeiterfassung in den Unternehmen. Das Bundesarbeitsgericht hatte 2022 grundsätzlich entschieden, dass diese erfasst werden müsse. Aber ein Referentenentwurf steckt in der Ampel fest, es wird wohl mindestens bis zum zweiten Quartal dieses Jahres dauern, bis das Vorhaben weitergeführt wird.

Eine »generelle und verpflichtende Arbeitszeiterfassung« lehnt die FDP ab. »Betriebliche und einzelvertragliche Vereinbarungen über Vertrauensarbeitszeit, Homeoffice und mobiles Arbeiten müssen weiterhin möglich sein – auch ohne umfangreichen bürokratischen Dokumentations- und Kontrollaufwand oder gar Haftungspflichten für die Unternehmen«, so ihre Forderung im Leitantrag.

Schuldenbremse

Im Kerngebiet der FDP, der Steuerpolitik, hatte Lindner erst jüngst die Erhöhung des Steuerfreibetrags noch für dieses Jahr angekündigt. Darüber hinaus will die FDP die Unternehmenssteuern senken, die »effektive steuerliche Belastung« von Unternehmensgewinnen dürfe »maximal 25 Prozent« betragen, den Solidaritätszuschlag wolle man »vollständig abschaffen«, wodurch die Unternehmen um etwa zwölf Milliarden jährlich entlastet würden.

Ein Klassiker ist das Bekenntnis der FDP zur Schuldenbremse im Grundgesetz. »Mit der FDP wird es keine Aufweichung oder gar eine Abschaffung der Schuldenbremse geben«, heißt es dort. Auf europäischer Ebene werde es »keinen Einstieg in eine Schuldenunion geben«, auch »Eurobonds lehnen wir ab«. Der Blick richtet sich daher auch auf den angelaufenen Europawahlkampf, bei der die Bundespartei mit FDP-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf ein ansehnliches Ergebnis hofft. Zuletzt erreichten die Liberalen knapp über fünf Prozent, derzeit schwanken sie in Umfragen zwischen drei und sechs Prozent, im EU-Parlament gibt es indes keine Fünfprozenthürde.

Verteidigungspolitik

Eines der zentralen Themen der Spitzenkandidatin ist der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Dass der Sonderetat von 100 Milliarden für die Bundeswehr aufgelegt wurde, ist auch ein Verdienst Lindners. »Wir müssen kontinuierlich in die Bundeswehr investieren und alles dafür tun, dass das Zweiprozentziel der Nato dauerhaft erreicht werden kann«, heißt es nun im Leitantrag. Deutschland müsse »endlich verteidigungsfähig werden«, ohne eine starke Wirtschaft seien die nötigen Lasten nicht zu stemmen. »Auch deshalb braucht es eine Wirtschaftswende«, so die FDP.

Doch wie steht es um die Personalanforderungen der Truppe? Über Ostern erklärte nun Lindner, seine Partei sei gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Ähnlich liest es sich im Leitantrag. Diese stünde der Modernisierung der Bundeswehr im Weg, stattdessen wolle man die Reserve stärken und der Bundeswehr endlich erlauben, an Schulen und Universitäten über ihre diversen Tätigkeiten zu informieren.

Statt Musterungen also mehr Werbung für den Soldatenberuf. Den »Tag der Bundeswehr« will die FDP daher jedes Jahr »mit einem zentralen Festakt in Berlin begleiten, um die Sichtbarkeit der Truppe in der Gesellschaft zu erhöhen«.

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