Wohnen wird zunehmend zur Standortfrage. Michael Voigtländer, Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte, und Pekka Sagner, Immobilienexperte im IW, plädieren daher für bessere Rahmenbedingungen und mehr Verlässlichkeit etwa beim Klimaschutz.
Kernaussagen in Kürze:
- Im iwd-Interview betonen die IW-Immobilienexperten Michael Voigtländer und Pekka Sagner, dass sich das Angebot auf dem Immobilienmarkt vorerst weiter verknappen wird.
- Die Umwidmung von Büroflächen zu Wohnraum sei eine mögliche Gegenmaßnahme, aber oft nicht so einfach umzusetzen und käme vor allem für hochpreisige Standorte infrage.
- Beim Thema Sanierung sollte die Politik einen verlässlichen Pfad vorgeben und vor allem auf die Anreizwirkung des CO2-Preises setzen.
Zur detaillierten Fassung
Sie haben einen neuen Wohnindex geschaffen. Welche Erkenntnisse erwarten Sie mit diesem Indikator zu gewinnen?
Voigtländer: Wir hoffen, dass wir damit genauer sehen, wie sich der gesamte Markt entwickelt. Gleichzeitig können wir Sonderauswertungen vornehmen. Dieser Index ist ein Fortschritt für uns.
Sagner: Wir können uns jetzt Teilsegmente ansehen wie etwa die Heizungsart und so Themen beleuchten, die die Leute umtreiben.
Dem Index zufolge steigen die Mieten deutschlandweit kräftig und inzwischen ziehen auch die Kaufpreise für Wohneigentum wieder an. Wird Wohnen für die Bürger unerschwinglich?
Voigtländer: Man muss hier differenzieren. Der Druck auf den Mietwohnungsmarkt ist sehr hoch und er steigt noch. Das liegt daran, dass wir zu wenig bauen und viele Menschen, die im vergangenen Jahr eigentlich Wohneigentum kaufen wollten, in den Mietwohnungsmarkt gewechselt sind. Der Wohnungsbau geht gerade deutlich zurück und die Fertigungszahlen sinken ja erst jetzt richtig. Daher werden wir weiter eine Verknappung im Markt haben und damit höhere Mieten.
Beim Eigentum sind wir gerade am Anfang einer neuen Phase, denn die Preise steigen wieder leicht. Das spiegelt auch wider, dass die Zinsen zuletzt etwas gesunken sind. Die Erschwinglichkeit kann trotzdem steigen, vor allem wenn die Zinsen noch weiter nachgeben. Aber insgesamt muss man sagen: Je knapper das Gut wird, desto größer sind die nötigen Anstrengungen, um sich Wohnen noch leisten zu können.
Wie groß ist das Potenzial, Bestandsgebäude aufzustocken oder Büroimmobilien umzubauen?
Sagner: Eine Umwidmung von Büroflächen zu Wohnraum ist möglich, aber oft nicht so einfach. Das liegt an der Infrastruktur: Ein Bürogebäude hat andere Anforderungen an den Brandschutz, außerdem sind Wasser- und Stromleitungen ganz anders angelegt. Wenn man an die klassische Galeria-Kaufhof-Filiale denkt – diese in ein Wohngebäude umzuwidmen, ist alles andere als trivial. Man hat sehr große Grundflächen und kein Tageslicht. Es braucht hier kreative Konzepte. Die Wirtschaft hat die Potenziale erkannt, da wird sich in den nächsten Jahren einiges tun.
Eine Umwidmung von Büroflächen zu Wohnraum ist möglich, aber oft nicht so einfach. Sie kommt deshalb vor allem für hochpreisige Standorte infrage.
Voigtländer: Der Umbau ist teuer und kommt deshalb vor allem für hochpreisige Standorte infrage. Frankfurt hat da gute Erfahrungen gemacht. Wenn man mehrere Gebäude umwidmet, dann schafft man vielleicht auch eine Art Wohnviertel. Für die Masse der leer stehenden Bürogebäude ist ein Umbau zu Wohnungen eher unrealistisch. Und Aufstockungen von Bestandsgebäuden sind bürokratisch schwierig umzusetzen. Oftmals steht der Brandschutz entgegen. Da brauchen wir insgesamt mehr Pragmatismus, damit solche Lösungen möglich sind.
Gibt es Schätzungen, wie viele Wohnungen durch diese beiden Maßnahmen verfügbar gemacht werden können?
Voigtländer: Das Bauministerium geht für den Umbau von Bürogebäuden von 235.000 zusätzlichen Wohnungen aus. Bei den Aufstockungen dürfte das in einer ähnlichen Größenordnung liegen.
Mehr Bauen heißt auch mehr Bauland ausweisen. Das bedeutet aber auch mehr versiegelte Flächen, was dem Streben nach Klimaschutz zuwiderläuft. Kann man das Dilemma auflösen?
Sagner: Jein. Heute wird in den Neubaugebieten kompakter gebaut, die Grundstücke sind nur halb so groß wie in den 1980er Jahren, was auch ein Symptom der gestiegenen Preise ist. Man baut platzsparender, nachhaltiger – die wertvolle Fläche, die versiegelt wird, soll effizient genutzt werden.
Wir müssen mit der Flächenausweisung und Versiegelung dort aufhören, wo wir schrumpfen, und wir müssen Wachstum zulassen, wo die Bevölkerung hinströmt.
Voigtländer: Bei diesem Thema ist Folgendes ganz wichtig: Das 30-Hektar-Ziel, also die maximale Versiegelung pro Tag, gilt für die Bundesrepublik insgesamt. Wir sollten nicht versuchen, das auf jede Region herunterzurechnen. Wir haben Regionen, die sehr stark wachsen, und andere, die schrumpfen. Wir müssen mit der Flächenausweisung und Versiegelung dort aufhören, wo wir schrumpfen, und wir müssen Wachstum zulassen, wo die Bevölkerung hinströmt. Wir brauchen andere Zuteilungsmechanismen. Momentan wird das auf die Bundesländer verteilt und die verteilen das auf ihre Regionen. Da müssen wir eher bundesweit denken. Man kann übrigens durchaus Stadtentwicklung und ökologische Qualität miteinander verbinden, siehe den Stadtteil Aspern in Wien. Dort ist ein fast autofreier Stadtteil mit Grünflächen, See und S-Bahn-Anbindung entstanden.
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In den vergangenen Jahren wurde teurer und luxuriöser gebaut, weil sich das mehr lohnt. Wie kann man diesen Trend brechen?
Sagner: Teil der Wahrheit ist, dass durch die guten Finanzierungsbedingungen auch Luxus für viele Haushalte erschwinglich war. Aber das gilt sicherlich nicht in der Breite. Es geht in der Wohnungspolitik auch darum, bezahlbaren Wohnraum bereitzustellen. Tatsächlich ist es mittlerweile so, dass Unternehmer sich ansehen, wie man die Erschwinglichkeit erhöhen kann.
Voigtländer: Wir sehen schon, dass hier zunehmend ein Umdenken stattfindet, einfach wegen des Kostendrucks. Es werden mehr kleinere Wohnungen gebaut. Umso kleiner die Fläche, umso günstiger ist es nach wie vor. Ein kleines Apartment ist dann das, was noch leistbar ist in der Großstadt.
Was müsste die Politik tun, damit die Bürger ihre Immobilien auf den neuesten Stand beim Klimaschutz bringen können und wollen?
Voigtländer: Im vergangenen Jahr ist leider viel Verunsicherung entstanden, was nun zu tun ist und in welcher zeitlichen Abfolge. Viele warten jetzt darauf, was mit der kommunalen Wärmeplanung und dem Anschluss an ein Fernwärmenetz geschieht. Aus meiner Sicht ist nach wie vor der CO2-Preis zentral, um Anreize zu setzen. Konkret: Wenn die Politik einen Pfad vorgibt, wie sich der Preis entwickeln wird, kann sich jeder überlegen, welche Technik am besten geeignet ist, um diese Kosten zu sparen. Der Charme dabei wäre, dass der Preis Einnahmen generiert, die man dann für Förderung ausgeben kann. Wir sollten hier weg von den strikten Ge- und Verboten hin zu einer flexibleren preislichen Anpassung.
Das Thema Mitarbeiterwohnen ist auch ein Teil der Forschung im IW. Inwieweit kann es bei der Fachkräftegewinnung helfen, wenn Firmen ihren potenziellen Mitarbeitern Wohnraum anbieten oder bei der Suche helfen?
Sagner: Die Kosten des Wohnens beeinflussen immer mehr die Standortentscheidung. Das war ein Stück weit schon immer so, doch inzwischen überlegen Fachkräfte auf Jobsuche zunehmend: Kann ich mir das Wohnen am potenziellen Arbeitsort überhaupt leisten? Eine gute Lösung kann sein, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern Wohnraum zur Verfügung stellen – früher hätte man Werkswohnungen gesagt – oder sie bei der Suche unterstützen. Das machen auch schon einige Unternehmen, vor allem diejenigen, die international rekrutieren. Denn gerade für Fachkräfte, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen wollen, ist es eine große Hürde, eine Wohnung zu finden.
Über kurz oder lang wird die Baunachfrage wieder steigen.
Wie bewerten Sie die konjunkturelle Situation in der Bauwirtschaft und wird es bald wieder nach oben gehen?
Voigtländer: Die aktuelle Krise liegt vor allem an dem rasanten Zinsanstieg, den wir gesehen haben. Über kurz oder lang wird die Baunachfrage wieder steigen. Das große Problem ist nur, wenn bis dahin Kapazitäten abgebaut werden, ist es schwierig, sie wieder hochzufahren. Wir haben allgemein einen Fachkräftemangel. Diejenigen, die jetzt die Bauwirtschaft verlassen, werden woanders unterkommen und sind dann weg. Daher ist es umso wichtiger, mit Maßnahmen gegenzusteuern, die die Bautätigkeit fördern, damit die Baufirmen ihre Mitarbeiter halten können.
Sagner: Konkret gesagt: Auf der Käuferseite geht es um eine Reduktion der Grunderwerbssteuer, beim Neubau sind es die Sonderabschreibungen auf die Baukosten. Und die Eigentümer bestehender Immobilien müssen verlässlich wissen, was die Politik für die kommenden Jahre zum Beispiel mit Blick auf die energetische Sanierung vorschreibt.