Vergangenen Herbst hat der Thüringer Landesverband der AfD einen 5-Punkte-Plan für den Fall einer Regierungsbeteiligung vorgestellt. Punkt drei fasst der MDR so zusammen: »Kein Geld mehr für Demokratie, Vielfalt und Engagement gegen Rechtsextremismus«. Gemeint ist damit das landeseigene Programm »Denk-Bunt«, das mit rund 6,1 Millionen Euro pro Jahr zivilgesellschaftliche Projekte finanziert. Wird dieses Landesprogramm gestrichen, hätten Betroffene rechtsextremer Gewalt kaum noch Hilfs- und Beratungsangebote in Thüringen. Auch viele Schulprojekte, Informationsveranstaltungen und andere zivilgesellschaftliche Initiativen für ein demokratisches und gewaltfreies Miteinander bekämen fortan keine finanzielle Unterstützung mehr. Viele demokratisch engagierte Organisationen stünden damit vor dem Aus.
Die Autorin und der Autor
Vivian Kube , Jahrgang 1986, ist Mitarbeiterin im Legal Team von FragDenStaat und Rechtsanwältin bei der auf Informationsfreiheit und Zivilgesellschaft spezialisierten Kanzlei KM8. Sie studierte Jura in Hamburg und Leiden und wurde am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz, Italien, promoviert. Ihre weiteren Schwerpunkte sind Grund- und Menschenrechte sowie gerechter Zugang zu Wissen und politischer Teilhabe.
Klaas Müller , Jahrgang 1998, hat Jura und Philosophie in Münster studiert. Er ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Thüringen-Projekt des Verfassungsblogs , in welchem aus rechtswissenschaftlicher Sicht ausgeleuchtet wird, was passiert, wenn autoritäre Populisten staatliche Machtmittel in die Hand bekommen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Öffentlichen Recht und in der Rechtsphilosophie.
Bei diesen Programmen handelt es sich um Haushaltsmittel des Landes, die in Landtag und Kabinett ausgehandelt und dann von dem zuständigen Ministerium inhaltlich ausgestaltet werden. Das Szenario, dass ein von der AfD geführtes Bildungsministerium das Programm einfach so streicht, ist demnach ohne Weiteres denkbar.
Kann man die Zivilgesellschaft vor autoritärer Kommunalpolitik retten?
Viele lokale Initiativen werden aber auch vom Bund über die sogenannten Partnerschaften für Demokratie finanziell gefördert. Dafür schließen sich zivilgesellschaftliche Initiativen vor Ort mit der kommunalen Verwaltung zusammen, um in Städten, Landkreisen und Gemeinden für Vielfalt und gegen Extremismus einzutreten. Die Weiterleitung der Gelder an die Initiativen erfolgt über das federführende Amt, welches dem Bürgermeister oder Landrat untersteht.
Landrat? Da war ja was. Im thüringischen Sonneberg gibt es seit vergangenem Sommer den bundesweit ersten AfD-Landrat . Und so überrascht es nicht, dass Robert Sesselmann dort bereits versucht hat, die lokale Partnerschaft für Demokratie zu zerschlagen . Verhindert werden konnte das nur noch in letzter Sekunde durch den Jugendhilfeausschuss im Kreistag.
Nicht alle Partnerschaften für Demokratie sind auf diese Weise geschützt: Wenn bei ihrer Einrichtung kein Mitspracherecht eines anderen Gremiums geregelt ist, können autoritäre Populisten an der Spitze kommunaler Ämter die Zusammenarbeit einfach beenden. Zum Beispiel durch die schlichte Weigerung, den jährlichen Förderantrag zu unterschreiben; denkbar wäre aber auch, dass AfD-Landräte und Bürgermeister bei der Förderauswahl bestimmte Kriterien wie die »Bekämpfung von Rechtsextremismus« einfach vernachlässigen oder unliebsame Initiativen vor Ort besonders kritisch überprüfen. Schon jetzt haben es demokratisch engagierte Initiativen in den betroffenen Regionen schwer.
Aber lässt sich verhindern, dass ein autoritärer Landrat ihnen endgültig den Boden unter den Füßen wegzieht?
Es gibt Vorschläge, wie Demokratieförderung auch unter den Vorzeichen autoritärer Kommunalbehörden weiter funktionieren kann. Sollte ein Landrat wichtige Demokratieprojekte aufkündigen wollen, könnte die Antragstellung – statt wie bisher über das federführende Amt – durch einen Träger der Zivilgesellschaft selbst verwaltet werden. Schon jetzt gibt es in den meisten Partnerschaften für Demokratie eine nicht staatliche Koordinierungs- und Fachstelle, die diese Arbeit vollständig übernehmen kann, soweit die notwendigen Stellen finanziert werden. Diese Finanzierung an der Verwaltung »vorbei« kratzt zwar an dem verfassungsrechtlichen Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung, wonach die Gemeinden alle örtlichen Angelegenheiten in eigener Verantwortung regeln dürfen, ließe sich aber mit dem Anliegen, die Demokratie zu schützen, rechtfertigen.
Die Zusammenarbeit zwischen kommunalen Ämtern und der Zivilgesellschaft, die vielerorts gut funktioniert, sollte natürlich nicht ohne guten Grund aufgegeben werden. Aber wenn die Alternative ist, dass regionale Initiativen im Falle einer autoritären Amtsübernahme vollständig alleingelassen werden, scheint mehr Staatsferne ein nicht allzu hoher Preis dafür zu sein.
Vorschlag aus dem Familienministerium wird nicht reichen
Eine weitere Idee ist, den bereits existierenden Begleitausschuss zu stärken. Dieser ist vor allem mit Aktiven aus der Zivilgesellschaft besetzt. Er hat derzeit die Aufgabe, spezifische soziale Konfliktlagen und menschenfeindliche Vorfälle in Politik und Gesellschaft zu analysieren und Handlungskonzepte für die jeweilige Region zu entwerfen. Die Vergabe oder Streichung von Fördermitteln könnte (wie vor ein paar Jahren bereits in einer früheren Version des Programms) so ausgestaltet werden, dass es hierfür rechtsverbindlich die Zustimmung des Begleitausschusses braucht. Damit hätte die Zivilgesellschaft ein Mittel in der Hand, um sich selbst gegen autoritär-populistische Angriffe zu schützen.
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Am 18. und 19. März wurde der Programmentwurf für die Förderperiode 2025 bis 2032 des Bundesprogramms »Demokratie-Leben« vorgestellt. Eine starke Zivilgesellschaft und die wehrhafte Demokratie sind die erklärten Ziele des überarbeiteten Konzepts, das auch für die Partnerschaften für Demokratie richtungsweisend ist. Mit der nun verpflichtenden »Situations- und Ressourcenanalyse« soll dabei sichergestellt werden, dass eine Partnerschaft sich auch wirklich den lokalen Problemen zuwendet. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber reicht das?
Nach den bisher vorgestellten Eckpunkten wird der Begleitausschuss, der nunmehr »Bündnis« heißt, weiterhin nur eine »Förderempfehlung« aussprechen. Seinen begleitenden Charakter hat das Gremium mit der Namensänderung also nicht abgestreift; stattdessen bleibt das federführende Amt die zentrale Schaltstelle. Damit sind die Missbrauchsmöglichkeiten durch einen autoritären Landrat oder Bürgermeister keinesfalls gebannt. Auch von einem Ersatzplan für den Fall eines vollständigen Ausstiegs einer Kommune sucht man vergeblich. Das letzte Wort dürfte aber erst mit den finalen Förderrichtlinien gesprochen sein. Das zuständige Bundesfamilienministerium unter Lisa Paus hätte also immer noch die Chance sicherzustellen, dass der ausgerufene »Schulterschluss mit der Zivilgesellschaft « auch auf rechtlicher Ebene Realität wird. Bevor es nach den Kommunalwahlen im Sommer zu spät ist.
Zivilgesellschaft fördern – auch wenn die AfD regiert
Mindestens genauso unklar ist, wie ein Plan B für gefährdete Demokratieprojekte auf Landesebene aussehen könnte. Derzeit fördert der Bund Landesdemokratiezentren in jedem der 16 Bundesländer. Deren Aufgabe ist es sicherzustellen, dass die Beratung für Betroffene von rassistischer und anderer menschenfeindlicher Gewalt gesichert ist. Außerdem unterstützen die Landesdemokratiezentren Angebote der Distanzierungs- und Ausstiegsarbeit. Auch auf Landesebene könnte eine AfD-Regierung diese Fördermittel des Bundes streichen oder für ihre eigene, völkisch-rassistisch konnotierte Version von »Demokratie« zweckentfremden.
Kann der Bund die Zivilgesellschaft in einem solchen Fall nicht einfach an den Ländern vorbei finanziell unterstützen? Ob der Bund die nötigen Kompetenzen dazu innehat, wird im Bundestag im Zuge des Demokratiefördergesetzes aktuell lebhaft diskutiert. Insbesondere die FDP hatte Bedenken geäußert : Gefahrenabwehr sei Ländersache.
Doch damit machen es sich die Bedenkenträger zu einfach. Denn Demokratieförderung darauf zu begrenzen, Menschen als potenzielle Gefahr zu betrachten, greift zu kurz. Statt auf »Extremismusprävention« sollte ein neues Gesetz auf politische Bildung setzen und die eigenständige Arbeit der Zivilgesellschaft gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit fördern. Für diese beiden Felder ist der Bund auch zuständig. So argumentiert Tim Wihl, ehemals Vertretungsprofessor für Öffentliches Recht an der Universität Erfurt, in seiner Stellungnahme zum Entwurf des Demokratiefördergesetzes. Die Förderung der Zivilgesellschaft kann auch in autoritären Zeiten funktionieren – allerdings nur wenn sie sich inhaltlich von einem sicherheitsbehördlich-geprägten Extremismusmodell verabschiedet.
Wer oder was ist »verfassungsfeindlich«?
Aber wie lässt sich dann ermitteln, wer von staatlichen Geldern auszuschließen ist? Das Bundesverfassungsgericht hat eine klare Antwort. Seit dem NPD-Urteil von 2017 definiert das oberste Gericht den Kern unserer Verfassung – die freiheitlich-demokratische Grundordnung – über die egalitäre Menschenwürde, die demokratische Selbstbestimmung aller Bürgerinnen und Bürger und die Rechtsstaatlichkeit. Damit macht das Bundesverfassungsgericht deutlich, dass es Wesensmerkmal unserer Demokratie ist, dass diese von unten nach oben gedacht wird, von der Bürgerin zur Regierung und nicht andersherum.
Hieran sollten sich die bundesstaatlichen Förderungen ausrichten: der Gleichberechtigung aller Bürgerinnen und Bürger und einer »bottom-up«-Demokratie. Eine Weiterleitung der Gelder an menschenfeindlich ausgerichtete Vereine kann so verhindert werden. Auch sollte man die Möglichkeit schaffen, die Kooperation mit Landesministerien selbst aufzukündigen, wenn diese von einer Partei besetzt sind, die sich erwiesenermaßen gegen die Menschenwürde richtet.
Eine Zentralisierung aller zivilgesellschaftlichen Fördermittel beim Bund darf jedoch nicht das Ziel sein. Daraus folgt, dass die Umgehung der Länderebene nur Ultima Ratio ist und die Rolle der Zivilgesellschaft auch bei der Vergabe der Fördermittel gestärkt werden muss. Es ist ein großer Schritt, die entsprechenden Ressourcen aufzubauen, um die nötigen Bewertungen der zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure, aber auch des jeweiligen AfD-Verbandes bewältigen zu können. Vor dieser Frage steht der Bund auch aktuell im Umgang mit der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung.
Die Mühe wert ist dieser Aufwand allemal. Die Zivilgesellschaft ist vielerorts die letzte Brandmauer gegen autoritäre und menschenfeindliche Strukturen und die erste Anlaufstelle für Betroffene rassistischer Gewalt. Die Demonstrationen in den vergangenen Monaten haben die Kraft gezeigt, die in der Zivilgesellschaft steckt. Die Politik darf sie jetzt nicht im Stich lassen.